Lebensräume

„SN: Die Städte und Dörfer wachsen unaufhörlich, fressen den Grünraum. Warum sollte gerade Corona das ändern?“

„Ich hoffe schon. Da setze ich auf das Vorbild europäischen Städtebaus. Es muss jetzt politisch raumplanerisch gehandelt werden, um den Flächenfraß zu stoppen. Wie man gesehen hat, waren beim Lockdown jene Menschen im Vorteil, die eine kleinteilige Infrastruktur in der Nähe ihres Wohnorts hatten. Gemeint sind Geschäfte, die fußläufig oder mit dem Rad erreichbar sind, und keine Mega-Einkaufszentren, die nur mit dem Auto zu erreichen sind.

Warum beobachten wir derzeit solch eine Fehlentwicklung? Weil die Entwicklung unseres öffentlichen Raums immer öfter Investoren in die Hände gelegt wird, ob auf dem Land oder in der Stadt. Die politische Verantwortung wird abgegeben nach dem Motto: Wer zahlt, der schafft an. Auch Flächenwidmungspläne sind in dem Moment Makulatur, in dem der erste Investor kommt. Der übergeordnete, der politische Gestaltungswille fehlt zusehends!“

„SN: Vielleicht rücken die öffentlichen Räume aber durch die Krise sowieso in den Hintergrund, es ist ja immer wieder die Rede von einem Rückzug ins Private, von einem neuen Biedermeier.“

„Nein, da glaube ich nicht. Es hat sich auch gezeigt in denersten Studien, am meisten leiden die Jungen, denen der soziale Raum abgeht, wo sie ihre Freunde treffen können. Sozialleben ist in der Stadt das Wichtigste, dort passiert die Begegnung und somit das städtische Leben. Das macht Urbanität aus.

Der Mensch ist ein Wesen, das sich bewegen will. Das hat man in den Wochen des Lockdowns deutlich gesehen. Sehr viele Mädels und Burschen waren mit Rollerblades oder mit dem Rad unterwegs.

Das Radfahren ist stadtplanerisch eine positive Gegenbewegung, denn damit holen die Leute sich aus eigener Kraft den öffentlichen Raum zurück. Dieses Phänomen zeigt sich deutlich in Amerika, wo die Städte in den vergangenen Jahrzehnten verkommen sind, kaputt gemacht wurden durch zu viele Autos und zu wenig Einzelhandel.“  Judith Eiblmayr im Interview mit den Salzburger Nachrichten (Quelle: Salzbuger Nachrichten 4.6.2020)

https://www.sn.at/panorama/oesterreich/staedte-zum-leben-es-braucht-politischen-gestaltungswillen-88414918

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